Herausfordernde Themen beim
FZI Open House 2022 – ein Rückblick
Am 24. Februar 2022 startete das diesjährige FZI Open House digital mit rund 390 Teilnehmenden um 9:30 Uhr. Nach der Begrüßung durch FZI-Vorstand Jan Wiesenberger schloß sich ein Grußwort von FZI-Kuratorin und BMBF-Vertreterin Dr. Svenja Marx sowie die Keynote von Prof. Dr. York Sure-Vetter, Direktor des Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e.V., an. Mit dem Online-Event, das unter dem Motto „Innovationen für gesellschaftliche Herausforderungen“ stattfand, adressierte das FZI viele Bereiche der Gesellschaft, in denen Herausforderungen bewältigt werden müssen. Die Veranstaltung war überschattet durch den Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine.
In seiner Eröffnungsrede betonte der FZI-Vorstand Jan Wiesenberger angesichts des Angriffs der Ukraine durch die russischen Streitkräfte eindringlich, dass Gewalt und Krieg nie adäquate Mittel seien, um Konflikte auszutragen. Er verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass andere Wege als diese kriegerische Auseinandersetzung gefunden werden. Die Situation und die bangen Erwartungen bezüglich der Reaktion in den Folgen dieses Angriffs überschatteten sicherlich das FZI Open House. Auch wenn das Motto des FZI-Events „Innovationen für gesellschaftliche Herausforderungen“ nicht die Herausforderungen im Sinn gehabt hätte, denen wir uns aktuell tragischerweise gegenübersähen: Dieses Motto sei in der heutigen Zeit doch so aktuell, so Jan Wiesenberger. „Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen – um mit dem Klimaschutz, der Pandemiebewältigung, der Energiekrise, Desinformation und Extremismus nur einige zu nennen – mit unserer Innovationskraft bewältigt werden können und unser Potenzial nicht in ein Gegeneinander, sondern in gemeinsame Lösungsansätze fließt“.
FZI-Kuratorin Dr. Svenja Marx teilte in ihrem Grußwort als Vertreterin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die feste Überzeugung, dass Forschung und Innovation dazu beitragen können, ein friedliches Zusammenleben zu stärken. Sie betonte, dass das FZI aus Sicht des BMBF eine ganz zentrale Rolle in der anwendungsorientierten Informatikforschung in Deutschland spiele. Das FZI habe die Hand am Puls von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und setze entsprechende Forschungsschwerpunkte. Generell sei Deutschland in der Informatikforschung aus Sicht des Ministeriums gut aufgestellt. Diese gelte es weiter zu stärken, um in diesem Bereich die Wettbewerbsfähigkeit und auch technologische Souveränität Deutschlands und der EU zu sichern. Sie versicherte, dass sich das BMBF auch weiterhin für Software und Informatik engagieren und hier fördern werde. Ein starkes Anliegen der neuen Bundesregierung sei zudem, dass Forschungsergebnisse in die Anwendung gelangen. Hierbei sehe das BMBF eine Schlüsselrolle des FZI, denn das FZI leiste neben der anwendungsorientierten Forschung und dem Transfer auch einen Beitrag dazu, das Vertrauen in Technologie zu stärken und deren Nutzen für die Menschen aufzuzeigen. Bedeutend sei auch, Daten der ganzen Forschungslandschaft zugänglich zu machen. Sie lobte in diesem Zusammenhang die Nationale Forschungsdateninfrastruktur als bedeutenden Meilenstein für Wissenschaft und Forschung und leitete damit auch zur Keynote von Prof. York Sure-Vetter über.
Prof. Sure-Vetter gab als Direktor des NFDI e. V. im Anschluss in seiner Keynote „Gute Daten. Bessere Innovationen!?“ Einblick in die Gründung und Aufgaben des gemeinnützigen Vereins, dessen Anliegen sei, Daten auffindbar (Findable), zugänglich (Accessible), interoperabel (Interoperable) und wiederverwendbar (Reusable) zu machen, kurz: sie FAIR zu machen. Sein Ziel: „Daten sind FAIR-verfügbar. Für alle. Für immer.“ In der NFDI werden wertvolle Datenbestände von Wissenschaft und Forschung für das gesamte deutsche Wissenschaftssystem systematisch erschlossen, vernetzt und nachhaltig sowie qualitativ nutzbar gemacht. So schaffe man die unverzichtbare Voraussetzung für neue Forschungsfragen, Erkenntnisse und Innovationen. Sure-Vetter führte die Impfstoffentwicklung von BioNTech und Pfizer als ein gutes Beispiel dafür an, dass ein großes Netzwerk und Kooperation gebraucht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Damit griff er die Botschaft von FZI-Vorstand Jan Wiesenberger wieder auf, dass der beste Weg für Innovationen im gemeinsamen Handeln liege.
Im Anschluss gab Wiesenberger mit einem kurzen Blick auf das Programm des FZI Open House die Bühne beziehungsweise Plattform für die Transferforen und Vertiefungsformate frei.
Die Transferforen
In den Transferforen des FZI Open House befassten wir uns mit Partner*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und mit Vertreter*innen aus der Politik in insgesamt sechs Themenblöcken mit aktuellen Fragestellungen. Mit dem nachfolgenden Slider geben wir kurze Einblicke in die einzelnen Transferforen.
Im Transferforum machte Dr.-Ing. Rose Sturm von der Mercedes-Benz AG deutlich: Fahrzeuge müssen zukünftig nicht nur mechanisch in Stand gehalten werden – über die Lebenszeit von knapp 25 Jahren brauchen wir auch Lösungen für die modernen Software-Aspekte von Fahrzeugen. Die Entwicklung moderner Fahrzeuge basiert auf Daten. In Forschungsprojekt SofDCar werde laut Ralf Reussner bereits beim Entwurf darauf geachtet, wie diese Daten im Hinblick zur Privatsphäre generiert und genutzt werden können. Fabian Koark von CARIAD sah vor allem das Framework als Schlüssel für die weitere Entwicklung. Stefan Otten vom FZI zeigte auf, wie die Entwicklung mit Sensordaten den Produktionszyklus von einem abgeschlossenen Prozess zu einem aus der Softwareentwicklung bekannten iterativen Prozess verändert, um mit den Anforderungen von Morgen im Produktlebenszyklus Schritt zu halten. Und abschließend betonte Prof. OIiver Bringmann die Notwendigkeit von maßgeschneiderter Hardware – insbesondere im Sensorbereich. Gründe hierfür seien der Energiebedarf, Chipmangel und Unterschiede auf den nationalen Märkten. Nur mit allgemeinen Frameworks lasse sich diese Variation wieder zusammenführen.
In diesem Transferforum wurden die Stärken und Chancen digitaler Bürger*innenbeteiligung vorgestellt. FZI-Mitarbeiter Alexander Dregger sah beim Entwickeln von IT-Lösungen ein enormes Potenzial zur Zeit- und Kostenersparnis durch das Einbinden der User. „Frühe Integration von UX im Entwicklungsprozess reduziert Entwicklungszyklen um bis zu 50 Prozent. Probleme werden frühzeitig erkannt und Kosten können gesenkt werden,“ erklärte er. Für Dr. Wolfgang Fischer von e-Mobil BW bieten digitale Methoden der Partizipation viele Möglichkeiten für das Gestalten von Transformationsprozessen, wenn die genutzten Instrumente konsequent weiterentwickelt werden. Nora Klaiber von der Stadt Karlsruhe und Moritz Ritter von Liquid Democracy e. V. stellten vor allem den Aspekt Vertrauen ins Zentrum ihrer Beiträge.
Wie kann Digitalisierung Einzug in den medizinischen Alltag erhalten? Diese zentrale Frage diskutierten Expert*innen im Rahmen des Transferforums. Dabei stellten sie die Potenziale und Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen vor. Es sei ein Balanceakt, Innovationen unter den geltenden Datenschutzbestimmungen voranzubringen. Doch: „Ohne gute Daten ist es unmöglich, gute KI-basierte Software zu entwickeln“, so Prof. Dr. Astrid Schmieder.
Dezentral im Quartier optimierte Energieversorgung, steigende E-Mobilität, zunehmende Flexibilisierung im Paketversand und immer mehr Alternativen zum privaten PKW – unsere Städte verändern sich. Wie sich diese Fortschritte auf unsere Städte auswirken, zeigte Professor Hartmut Schmeck zur Einführung mit einem kurzen Impuls. Dr. Frank Schönung von SEW-EURODRIVE beendete seinen Vortrag mit einer wichtigen Botschaft: „Die Chance für Smarte Quartiere ist das Netzwerk aus Forschung und Wirtschaft.“ Dr. Christoph Schlenzig und Manuel Lösch zeigten anhand des Reallabors Smart East, wie die Energiewende in der Stadt gelingen kann. Prof. Dr.-Ing. Uwe Plank-Wiedenbeck von der Bauhaus-Universität Weimar mit Prof. Dr.-Ing. Jürgen Beyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) rundeten das Transferforum mit ihren Impulsen zu „Digitalen Zwillingen“ und dem „KI-Reallabor für Mobilität, Logistik und Energie – das Bauhaus.MobilityLab“ ab. Im Anschluss folgte eine rege Diskussion mit den Teilnehmenden.
Die Effizienz von Künstlicher Intelligenz war eines der Kernthemen der Vorträge. So machte Dr. Yulia Sandamirskaya auf den Efficiency Gap aufmerksam, bei dem der Rechenbedarf an KI-Systeme schneller ansteigt, als es die Entwicklung der dafür nötigen Hardware leisten kann. Eine Lösung wird dabei in neuromorphen Systemen gesehen, die besonders in Verbindung mit Edge-Devices, wie Victor Pazmino Betancourt anführte, zu einer Reduktion des Energieverbrauchs führen.
Im Transferforum wurde thematisiert, dass das Potenzial von Quantencomputer für die Kryptographie ein Umdenken bedeute. Es setzt ein großes Maß an Agilität in der Umsetzung und Implementierung von Schutzmaßnahmen voraus. So ist ein Wachstum im Bereich Internet of Things zu verzeichnen, allerdings zeigen sich Mängel bei der Implementierung von Sicherheitsstandards sowie ein mangelhafter Langzeitsupport. Als Vorlage wurde der Sicherheitsstandard ISO/SAE 21434 aus dem Automotive-Bereich genannt.
Die Vertiefungsformate
In den Vertiefungsformaten beim FZI Open House tauchten wir thematisch tiefer in Fachthemen ein und gaben unser Know-how an die Teilnehmenden weiter.
Konsens im Transferforum: Process-Mining – also die Technologie, die uns ermöglicht, Geschäftsprozesse auf Basis digitaler Spuren in IT-Systemen zu rekonstruieren und auszuwerten – ist in aller Munde. Dr. Thomas Karle von der Horus Software GmbH betonte, dass es bei der Auswahl eines Vorgehensmodells allerdings nicht nur um die reine Entwicklung ginge, sondern auch um die Etablierung. Da es in jedem Unternehmen unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt, müssen individuelle Lösungen gefunden werden, die den internationalen Richtlinien und den Compliance-Regeln entsprechen. Anschließend stellte Clemens Schreiber vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) anhand einer Demo die drei verschiedenen Ansätze vor, die das Nutzen des Process Mining ausmachen – nämlich Discovery/Erkennung, Konformitätsprüfung und Erweiterung. Beim abschließenden Ausblick zeigten die Vortragenden auf, dass Process Mining nicht nur für die Auswertung abgeschlossener Projekte, sondern auch für Analyse laufender Projekte dienen kann.
Oliver Denninger, Jonas Klamroth und Max Scheerer vom FZI gewährten Einblicke in die Welt des Quantum Computing. Oliver Denninger vermittelte zunächst Grundlagen zur Funktionsweise der Quantencomputer im Vergleich zu konventionellen Computern und ging dabei auf die besonderen Eigenschaften der Qubits wie die Superposition, die Möglichkeit der Quantenverschränkung und den Vorteil des Quantenparallelismus ein. Abschließend stellte er als Strategie gegen das „Rauschen“ bei fehlerbehafteten Quantencomputern der NISQ-Ära variationelle Quantenalgorithmen vor. Jonas Klamroth baute darauf auf, indem er auf den Algorithmus von Deutsch als Quantenalgorithmus für Quantencomputer einging. Mit diesem lässt sich bestimmen, ob eine Funktion konstant oder balanciert ist. Max Scheerer stellte danach die szenariobasierte Routenplanung zur Absicherung von Fahrfunktionen als Gebiet für Quantencomputing dar. Abschließend ging er auf das Anwendungspotenzial in der Chemieindustrie, der Logistik, im Finanz- und Energiebereich, der IT-Sicherheit und der KI ein.
Thema im Vertiefungsformat war die kooperative Innovationsförderung des FZI mit Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand auf Basis erfolgreichen Technologietransfers. Als Kooperationsbeispiele vorgestellt wurden öffentlich geförderte Projekte, verschiedene Ideen bei Direktaufträgen, Mikroprojekte mit KMU sowie Ausgründungen. Referent Dr. Patrick Henkel von ANavS – Advanced Navigation Solutions spezifizierte den Mehrwert der Kooperation: Die gewonnenen Erkenntnisse wanderten in die Produkte. Man melde dazu Patente an und könne neue Services erschließen.
Aktuelle Herausforderungen zur Zulassung, zum Datenschutz und zur Cybersecurity rund um das automatisierte beziehungsweise autonome Fahren wurden in diesem Vertiefungsformat aus rechtlicher Sicht beleuchtet. Juristische Expert*innen zeigten kritische rechtliche Fragestellungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf und waren sich einig: Die Automatisierung und Vernetzung erfordere nicht nur eine kontinuierliche Anpassung des Straßenverkehrsrechts, sondern stelle durch die Zunahme der Datenverarbeitung auch das Datenschutz- und IT-Sicherheitsrecht vor neue Herausforderungen. Wenn Fahrentscheidungen maschinell getroffen und umgesetzt werden, eröffne das zudem neue Haftungsfragen sowie Fragen rund um die Strafbarkeit.
Das Abschlusspanel
Mit dem Abschlusspanel ging das FZI Open House 2022 schließlich in den Endspurt. FZI-Vorstandsmitglied Prof. Dr. J. Marius Zöllner übernahm dabei die Rolle des Moderators, der durch seine geschickten Fragen im Verlauf des Online-Events bereits thematisierte Aspekte nochmals ins Gespräch mit seinen vier Gästen einbrachte. So sprach er Dr. Yulia Sandamirskaya darauf an, ob KI als Innovationsbeitrag eventuell überschätzt sei. Er bat Manuel Lösch vom FZI um seine Einschätzung bezüglich der Rolle von IT bei der Neugestaltung der Energielandschaft, die in der Bildung von Smarten Quartieren ihren Ausdruck findet. Von Anne-Marie Preiß, Referentin beim Landesbeauftragten für Datenschutz Baden-Württemberg wollte er wissen, wie der „deutsche“ Datenschutz im europäischen beziehungsweise internationalen Vergleich einzuordnen sei. Mit Jonas Fegert schließlich diskutierte er, wie sich nicht-technikaffine Menschen durch digitale Partizipation erreichen ließen. Fegert erklärte, dass es dabei vor allem darauf ankomme, die Personengruppen persönlich bei der Nutzung zu begleiten sowie die Plattformen mit den potenziellen Nutzenden zusammen zu entwickeln.
Mit einem großen Dank an alle, die zum diesjährigen FZI Open House beigetragen haben, schloss Marius Zöllner die Veranstaltung und kündigte schon den Termin für das kommende Jahr an.
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Unser FZI Open House 2023 findet am 16. Februar statt. Seien Sie dabei, wenn wir wieder die Tür zur IKT-Welt von morgen aufstoßen. Wir freuen uns auf Sie!