Interview

24.07.2024

„Das FZI ist als Schnittstelle hervorragend dazu geeignet, dem Zusammenhang von Technik und Recht nachzugehen“

Neuer FZI-Fördervereinsvorstand Dr. Christian Förster im Gespräch

Seit Anfang 2024 ist Dr. Christian Förster, Partner in der Wirtschaftskanzlei Bartsch Rechtsanwälte und mit „Forschervergangenheit“, stellvertretender Vorsitzender des FZI Fördervereins. In einem Interview sprechen wir mit unserem neuen Vorstandsmitglied und Schriftführer über seine Motivation das neue Amt zu übernehmen, was aus seiner Sicht für eine Mitgliedschaft im Förderverein spricht und wie sich berufliche Praxis und Forschung (zum IT-Recht) berühren können.

Herr Dr. Förster, Sie sind nun stellvertretender Vorsitzender des FZI Fördervereins. Was war Ihr erster Berührungspunkt mit dem FZI Forschungszentrum Informatik?

Dr. habil. Christian Förster: Die ersten Berührungspunkte kamen durch unseren Seniorpartner Professor Michael Bartsch, der ja auch ein Pionier auf dem Feld des IT-Rechts ist. Die Kanzlei Bartsch ist schon lange Zeit Mitglied im FZI Förderverein. Prof. Bartsch selbst pflegt seit Jahren einen engen geschäftlichen und persönlichen Kontakt zum FZI-Fördervereinsvorsitzenden Oliver Winzenried von Wibu Systems. Im Zuge der Mandatsübernahme hat er mich gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte, ein Amt im Vorstand zu übernehmen und da habe ich dann eigentlich relativ schnell zugesagt. Ich bin generell jemand, der sich gerne engagiert, gerade für Sachen, die mir wichtig sind.

Was finden Sie an diesem Amt spannend?

Förster:  Mein Arbeitsschwerpunkt in der Kanzlei liegt im IT-Recht und entsprechend sind meine alltäglichen Fälle meist aus diesem Bereich. Viele Juristen sind ja eher technikfern. IT-Recht ist auch kein „klassisches“ Universitätsthema und kommt im Staatsexamen nicht vor. Sie können sogar IT-Rechtler sein, ohne jemals einen Computer angefasst zu haben. Aber ich engagiere mich auch gerne im Hinblick auf die Forschungs- oder die Technikseite – als „Computerspieler der ersten Stunde“, der Mitte der 1980er Jahre auf dem Commodore 64 eines Freundes die ersten Computer(spiel)-Erfahrungen sammelte. Die Affinität zur Technik ist also bei mir viel älter als die juristische Beschäftigung.

Das FZI ist als Schnittstelle, als Anlaufstelle für verschiedene Seiten, hervorragend dazu geeignet, diesem Zusammenhang von Technik und Recht nachzugehen, was in Folge auch mir für meine Arbeit mit den Mandanten und Mandantinnen einen Mehrwert bringt. Momentan ist ja KI das Riesenthema. Dazu habe ich am FZI auch meinen Einstandsvortrag als Vorstandsmitglied gehalten.

Zudem mag ich es, immer wieder bei Veranstaltungen als Jurist auch mal unter Nichtjuristen zu sein, besonders wenn es um ein juristisches Thema wie die DSGVO geht, das ist ja auch spannend und dazu bieten die Fördervereinsveranstaltungen gute Gelegenheiten.

In welcher Form können Unternehmen davon profitieren, beim FZI Förderverein mitzumachen?

Förster: Also wenn ich das jetzt auf meinen juristischen Input für den Förderverein beziehe, so haben die Mitglieder des Fördervereins durch mich die Möglichkeit, am Rande einer Veranstaltung leichten Zugang zur Rechtsberatung in IT-Angelegenheiten zu erhalten, da ich mir gerne ihre Pläne und Probleme anhöre und sich daraus bei Bedarf auch eine spezifische Beratung ergeben kann. IT-Unternehmen gehören in Deutschland – wenn man die Riesenunternehmen wie SAP einmal außen vorlässt – vor allem dem Mittelstand an. Und da steht für viele am Anfang ein Aha-Erlebnis: Sie haben bisher übersehen, wie viele Bereiche juristisch in irgendeiner Form überformt oder durchdrungen sind und da können Unternehmen unglaublich viel Geld sparen und Ärger vermeiden, wenn sie sich juristisch vernünftig aufstellen, sich beraten lassen, bevor ein Rechtstreit auftritt. Und darüber nachdenken, wie die Prozesse in ihrem Unternehmen ablaufen. Das gilt vor allem im Fall der Vertragsgestaltung, da sehe ich ein Riesenpotenzial.

Wie kann aus Ihrer Sicht der Förderverein seine Netzwerkstruktur stärken?

Förster: Mir hat zum Beispiel das FZI Open House mit zahlreichen Networking-Möglichkeiten sehr gut gefallen. Im Allgemeinen glaube ich an Stetigkeit in einer dichten Taktung und nicht an einzelne Leuchtturmveranstaltungen. Es ist wichtig, den Mitgliedern zu zeigen, dass sie einen einmaligen Mehrwert haben, den sie sonst nirgendwo erhalten. 

Nehmen wir nur mal das wichtige Thema Cyberversicherung: Wenn ich ein Unternehmen mit Erfahrung auf diesem Feld bei einer Veranstaltung des Fördervereins dazu bringe, sein Know-how dazu zu teilen, dann ist das für andere Unternehmen viel mehr wert als die siebzehnte Infoveranstaltung zur NIS2-Richtlinie. Das Fallbezogene, das Unternehmensbezogene, das Konkrete: das ist häufig das was die Leute viel mehr interessiert und dafür muss man ein Forum geben.

Sie haben jetzt schon einige Themen angesprochen, die in Ihrer beruflichen Praxis rund um das IT-Recht aktuell eine besonders starke Rolle spielen. Können Sie hier noch ein wenig mehr berichten?

Förster: Wie bereits angeschnitten: Cyber-Versicherungen sind sicher ganz wichtig. Und dann natürlich der Einsatz von KI im eigenen Unternehmen, zum Beispiel für Produkte, die künstliche Intelligenz nutzen. Das ist ein ganz großes Thema und auch ein extrem schwieriges Thema. Denn viele Regelungen existieren da noch nicht, sie erscheinen aber bereits am Horizont, so etwa der AI Act (KI-Verordnung).

Des Weiteren ein Dauerthema, das viele enerviert: Datenschutz. Viele nehmen diese Thematik immer noch nicht ernst genug. Und die Tendenz in die eine oder die andere Richtung ist sehr stark, es gibt da wenig „Mittelweg“. Manche meinen „Wir können ja gar nichts mehr machen, der Datenschutz verhindert alles“, andere hingegen sind der Ansicht „Solange mich niemand belangt, unternehme ich auch nichts“. Beide Positionen sind nicht hilfreich. Ein Lieblingsspruch der Juristen ist: „Es kommt darauf an“. Und so ist es auch beim Datenschutz. Der Datenschutz ist ja europäisch verankert, er gilt nicht nur in Deutschland, sondern genauso in Spanien und Rumänien. Aber er wird natürlich in diesen Ländern durch die kulturelle Differenz anders gelebt. Zu behaupten, dass wir Deutsche besonders datenschutzverrückt wären, entspricht nicht der Wahrheit. Auch im Hightech-Mekka Kalifornien bemüht man sich inzwischen darum, auch weil man das Europa-Geschäft nicht verlieren möchte. Auch hier hilft die pragmatische und sorgfältige Art des Juristen, der sich genau anschaut, was gemacht werden muss und dann mit den Mandanten die Umsetzung in Angriff nimmt“.

Und natürlich spielt auch im Bereich des IT-Rechts die Vertragsausgestaltung eine wichtige Rolle wie in fast allen Rechtsbereichen. Da sind auch die großen Unternehmen nicht vor kapitalen Fehlern gefeit, das ist dann auch für den Mittelstand teilweise beruhigend. Aber auch hier gilt: Minimaler Einsatz kann maximalen Output bringen, indem zum Beispiel Standardprozeduren berücksichtigt werden. Ich habe gerade als Mandantin eine ganz kleine Drei-Mann-„Programmiererbude“. Irgendwie unglaublich, wie gut strukturiert die schon die ganze Problematik vorbereitet haben.

 

Werfen wir ein Blick nach vorne: Welche juristischen Themen werden Sie und Ihre Kollegen zukünftig besonders beschäftigen und sollten daher aus Ihrer Sicht auch besondere Relevanz für unsere Forschung am FZI haben?

Förster: Was uns sicher lange noch beschäftigen wird, ist natürlich dieses Thema Künstliche Intelligenz. Und da stellt sich dann die Frage, was überhaupt zur KI zählt, auch wenn da bereits Definitionen im AI Act vorhanden sind. Da wird noch unglaublich viel passieren, weil ganz viele Rechtsfragen noch nicht geklärt sind. Wir gehen natürlich im ganzen Recht, egal in welchem Land, immer von einem menschlichen Akteur aus. Und da ist schon die Frage: Was ist eine KI? Hat die irgendwie in irgendeiner Form eine Identität? Aber im Endeffekt ist folgende Frage entscheidend bis zum Schluss: Ist für die Handlungen einer KI der Hersteller, der Betreiber oder der Nutzer verantwortlich? An dieser Frage hängen Unmengen von Euros – das sehe ich eindeutig als Haftungsrechtler, der sich auch mit Schadensersatz beschäftigt.

Der zweite Fall ist das Thema „KI-Schöpfung“ und Urheberrecht, etwa mit Blick auf ChatGPT. Da wollen sich viele nicht damit beschäftigen, weil sich dadurch im Internet unglaublich viele Sachen ändern werden. Im Moment profitiert man da noch von einer relativ rechtsfreien Grauzone. Es wird aber auf keinen Fall so bleiben, dass User das, was ChatGPT erstellt, immer freizügig verwenden können. Da entsteht eine totale Unwucht. Natürlich ist das benutzerfreundlich – aber das Material stammt ja irgendwo her. Und es wird noch ein ganz großes Thema sein, wie diese Fragen entschieden werden. Ob ich sage, das liegt bei dem Datenspender oder bei dem Datenverwender oder beim KI-Konstrukteur: durch die entsprechenden Antworten werden dann die Geldströme entsprechend geleitet.

 

Sie waren ja sehr lange an Hochschulen in der juristischen Forschung tätig. Was hat Sie denn in diesem Bereich besonders fasziniert? Oder vielleicht auch frustriert?

Förster:
Ich habe schon früh einen Bereich gefunden, den ich besonders interessant fand und der noch nicht breit erforscht war: den transkulturellen Rechtsvergleich. Wir wissen über andere Rechtssysteme meist weniger, da Recht eine nationale Angelegenheit ist. Es wird vom Menschen nur im Rahmen der Befugnis des Gesetzgebers geschaffen. Und daher fand ich es interessant von Fragen auszugehen wie „Die haben doch mit Sicherheit in England, Amerika, Japan, China die gleichen Probleme. Wie lösen die das denn? Und machen sie das geschickter und können wir davon etwas lernen?“ Und weil mich das so fasziniert hat, habe ich auf diesem Feld meine beiden großen wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten, die Dissertation und die Habilitation, absolviert.

Und jetzt zum Thema Frust: Forschung und Praxis haben im Jurastudium meist nicht so viel miteinander zu tun, Praxisrelevanz ist für manche Kollegen sogar ein Schimpfwort.Aber ich bin jetzt als Anwalt sehr zufrieden, weil ich mich im Praktischen so wohl fühle und weil meine Mandanten und Mandantinnen auch so unterschiedlich sind – so schätzen manche besonders eine akkurate Sorgfalt, während für andere der Besuch beim Juristen möglichst kurz und schmerzlos verlaufen soll. Ich kann deutlich motivierter arbeiten, wenn ich den Eindruck habe, das bringt konkret meinen Mandanten etwas, der braucht die Hilfe jetzt, der will diesen Vertrag haben, dieses Produkt verkaufen, der will diese Haftungsfrage geklärt wissen. Ich fände es wichtig, dass zum Beispiel die Praxis in Sachen IT-Recht in Lehre und Forschung eine Rolle spielt, da müsste man mal an einem Strang ziehen, um das entsprechend durchzusetzen.

Was ich als völlige Fehlsteuerung empfinde, ist die Ausrichtung der Universitäten im Hinblick auf  Drittmittel. Wir befinden uns in einem Land mit fantastischem Lebensstandard und Technik und immer stärker ist es so, dass der beste Professor derjenige ist, der eigentlich sein Professorengehalt gar nicht braucht, weil er genügend Drittmittelgelder einwirbt. Allerdings hat er dann für die Studierenden und deren Ausbildung keine Zeit hat, die Lehre stört nur.

Sie haben sich auch auf dem Gebiet des Rechts mit gesellschaftlich sehr kontroversen Themen beschäftigt, zum Beispiel mit der Corona-Krise  oder dem Thema Nachwirkungen des Vietnamkrieges im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen für Agent Orange-Opfer. Gibt es da weitere Themen, mit denen Sie sich gerne beschäftigen möchten und die nach ihrer Meinung den gesellschaftlichen Diskurs positiv voranbringen?

Förster: Spontan ist das nicht ganz einfach zu beantworten. Generell sehe ich das Schaffen von vernünftigen Verträgen oder Rechtsregelungen immer schon als kleinen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft. 

Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, das ich aber nur begrenzt beeinflussen kann, ist Rechtsstaatlichkeit, die ich als Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften sehe. Gerade wenn man den Blick nach Ostasien richtet, das mich bereits seit meinem ersten längeren Aufenthalt im Rahmen der Wahlstation im Referendariat in Japan vor 25 Jahren fasziniert und zu dessen Recht ich ja auch intensiv geforscht habe. Ein großes Problemfeld ist gerade die Rechtsstaatlichkeit in China. Rechtlich gesehen befindet sich dieser Staat in vielen Bereichen wieder im Mittelalter, das finde ich furchtbar und das war vor allem vor einiger Zeit schon einmal besser. Rechtsstaatlichkeit ist eine Bedingung dafür, dass das Zusammenleben in Staaten oder zwischen Menschen funktioniert. Diese Verlässlichkeit der Regelung lässt Menschen besser schlafen, mit der Gewissheit „Ich mach´ Verträge, die werden eingehalten, ich kann mich drauf verlassen.“ Und nur so funktioniert‘s. Das kann man auf der ganzen Welt sehen.

Ein Themenfeld, das mich auch immer wieder beschäftigt, ist Corporate Social Responsibility, mittlerweile meist bezeichnet als Environment Social and Governance (ESG): Dabei geht es um die Umweltverantwortung von Unternehmen. Wir haben da nun diese Herausforderungen durch ESG-Standards und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Das sind aber auch ganz spezielle Ausschnitte aus der Gesamtthematik. Deutsche Unternehmensvertreter äußern sich dann in dem Sinne „Das haben wir bereits seit 50 Jahren“. Und Unternehmen in anderen Ländern der Welt sind der Überzeugung, dass ihre Wirtschaft ohne Kinderarbeit bankrottgeht … Mit dieser gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen müssen wir uns auseinandersetzen.

Dr. habil. Christian Förster

Dr. Christian Förster studierte von 1992 bis 1997 Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. Am Ende seines Referendariats begab er sich nach Tokyo. Die Begegnung mit asiatischer Kultur und Recht beeindruckte ihn so stark, dass er 1999 parallel zu seinem Dissertationsvorhaben das Studium der Japanologie in Tübingen und Kyoto aufnahm. 2002 legte er erfolgreich seine Promotion zu dem gesellschaftsrechtlichen Thema: „Die Dimension des Unternehmens: Ein Kapitel der deutschen und japanischen Rechtsgeschichte“ ab.

Es folgte 2009 die Habilitation mit dem Thema „Die Fusion der Personalsicherheiten – Eine Neusystematisierung von Bürgschaft und Garantie aus rechtsvergleichender Perspektive“ mit der er die Lehrbefugnis für die Fächer Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsvergleichung erlangte. Er setzte seine akademische Karriere mit Lehrstuhlvertretungen beziehungsweise befristeten Professuren in Bonn, Dresden, Frankfurt a.M. und Freiburg fort, um schließlich 2014 einen Ruf an die Universität Heidelberg auf eine Professur für „Transcultural Studies (Social Sciences)“ am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ zu erhalten, die er bis zum Auslaufen des Clusters Ende 2018 innehatte.

Interviewerin

Tatjana Rauch

Communications

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